Erst vor Kurzem waren wir auf der diesjährigen Featuring Future Conference der BOKU Wien (Universität für Bodenkultur) und haben dort bei überaus interessanten Vorträgen zu entscheidenden Zukunftsthemen zuhören dürfen. In diesem Blog wollen wir von ein paar Eindrücken der Konferenz erzählen und auch darauf eingehen, wie essentiell das Konzept von Citizen Science für zukünftigen Fortschritt ist.
Reinhard Steurer, Forscher für Klimapolitik
Reinhard Steurer, Forscher und Professor für Klimapolitik an der BOKU, thematisierte in seiner Keynote beispielsweise, weshalb wir als Gesellschaft so viel riskieren und statt wirklicher Klima- und Umweltpolitik, uns größtenteils mit Schein-Klimapolitik begnügen.
Der Grund dafür ist Ohnmacht. Während anfangs von einem Marktversagen (fossile Wirtschaftsinteressen) ausgegangen werden kann, sprechen wir im nächsten Schritt von einem Staats- und Regierungsversagen, weil Verantwortliche beispielsweise wegen Lobbyismus nicht eingegriffen haben. Jahrzehnte später sind wir in einem Gesellschaftsversagen angelangt, da wir als Gesellschaft tatenlos bleiben und lieber die Information, als das Problem loswerden.
Die gute Nachricht ist: Ohnmacht liegt in unserer Hand – die Gesellschaft kann sich ermächtigen, bis Empowerment zu Macht wird und Lösungsansätze umgesetzt werden können.
Der gesamte Vortrag von Reinhard Steurer kann im nachfolgenden Video angesehen werden.
Jan Gehl, Architekt
Da wir gerade von Empowerment sprechen: Die Stadt Kopenhagen hat schon früh damit begonnen, CO₂-freundliche Initiativen in die Stadtplanung miteinzubinden. Jan Gehl war damals als Architekt für diese Entwicklung mitverantwortlich und als Speaker auf der Featuring Future Conference zu Gast.
1962 hatte Kopenhagen die erste autofreie Straße und damit Platz für Menschen geschaffen. Fortan wurde das Fahrradnetz so gut ausgebaut, dass die gesamte Stadt davon durchzogen ist. Zudem wird ständig an der Sicherheit für Fahrradfahrer und Fußgänger gearbeitet.
Auch Wien ist eine Stadt, die zwar ein vorbildhaftes öffentliches Verkehrsnetz anzubieten hat, aber dennoch den Großteil seiner Fläche den Autos vorbehält. Politische Maßnahmen für verkehrsberuhigte oder ganz autofreie Zonen und ein Ausbau an Fahrradwegen werden nur zögerlich umgesetzt oder gar nicht ins Auge gefasst, Aktionismus dafür eher bekämpft als gehört.
Auf die Publikumsfrage, weshalb das damals in Kopenhagen so gut funktionierte, antwortete Jan Gehl: Mit kleinen Schritten und guter Dokumentation der Stadt war ein gemeinsamer Plan, nämlich die beste Stadt zu werden, möglich. Autofreie Zonen sind nämlich vor allem eines: ein Gewinn! Denn das attraktivste in Städten sind Menschen und deren Begegnungszonen – Parkplätze und dicht befahrene Straßen zählen tatsächlich nicht dazu.
Dokumentation als Teil von Empowerment
1967 war Kopenhagen die erste Stadt, die das dortige Leben dokumentierte und dazu Daten sammelte. Bis heute hat Kopenhagen umfassende Informationen und einen guten Überblick über die eigene Stadt – wo wird viel radgefahren, wo passieren Unfälle, wo braucht es eine Reduktion von Autos und Abgasen?
Diese Art Dokumentation hat die Stadt Wien beispielsweise nicht. Jan Gehl appellierte daraufhin, dass diese Daten immens wichtig seien, um politische Handlungen in Gang zu bringen und gemeinsame Projekte zu starten.
Citizen Science als Methode für Dokumentation und Empowerment
Citizen Science kann in diesem Zusammenhang ein wichtiges Instrument sein, um zu dokumentieren und Bürger:innen zu einem Empowerment zu verhelfen! Zum Beispiel wurde jetzt BiciZen, eine Citizen Science App zum Thema Radfahren, veröffentlicht. Dabei werden zukünftig Daten von Citizen Scientist-Radfahrern weltweit erfasst. BiciZen hat die App gemeinsam mit SPOTTERON in sechs Sprachen entwickelt.
Städte, aber auch ländliche Regionen, werden dabei auf ihre Fahrradfreundlichkeit, ihr ausgebautes Fahrradnetz, die Häufigkeit von Fahrraddiebstählen, die Sicherheit beim Radfahren und viele weitere Parameter getestet. Eine kollaborative Plattform, die Städte bei ihrem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Mobilitätszukunft unterstützt.
Citizen Science Apps können genutzt werden, um politische Entscheidungsträger mit wichtigen Daten zu konfrontieren. Von Daten zum Radfahren, zur Artenvielfalt, zur psychischen Gesundheit bis hin zum Klimaschutz – die Möglichkeiten sind enorm vielfältig.
Die Featuring Future Conference hat gut umrissen, wo Zwischenräume von Gesellschaft, Wissenschaft und Politik erst noch bespielt werden müssen. Neben Aktionismus und einer klaren Haltung in Richtung Umweltschutz, sind wir uns sicher, mit Citizen Science Apps eine weitere Methode für Bürger:innen und Wissenschafter:innen für den gesellschaftlichen Wandel anzubieten. SPOTTERON ist bestrebt, Apps für Citizen Science Projekte einerseits nutzerfreundlich, andererseits unter strenger Berücksichtigung des Datenschutzes zu gestalten.
Wir können alle Vorträge nur empfehlen und bedanken uns bei allen Vortragenden und der BOKU für diese inspirierende Veranstaltung – und freuen uns schon auf die Featuring Future Conference im nächsten Jahr!